Hochsensibilität

Hochsensibilität ist ein umgangssprachlicher Begriff, mit dem das Temperamentsmerkmal höherer sensorischer Verarbeitungsaktivität bezeichnet wird. Es ist keine Krankheit und kein Makel sondern ein Wesenszug.

Die Forschungstätigkeit zu dem als Persönlichkeitsdisposition verstandenen psychophysiologischen Konstrukt der Hochsensibilität stammt von dem US-amerikanischen Psychologenehepaar Aron (1997). Nach ihrer Vorstellung „bedeutet Hochsensibilität sowohl eine hohe Sensitivität für subtile Reize, als auch eine leichte Überregbarkeit“. Es ist keine Nervenschwäche, noch eine Reizfilterschwäche. Hochsensible haben ein offeneres Reizverarbeitungssystem, d.h. sie haben eine hohe Reizoffenheit / Empfindlichkeit gegenüber Lautstärke, Gerüche, visuellen Eindrücken, Menschenmengen etc. (= schnelle Überreizung). Weitere Merkmale können sein:

  • Ausgeprägtes emotionales Erleben
  • Hohe emotionale Verletzbarkeit
  • Hohe Empathie (bis hin zu Gefühlszusammenfluss)
  • Sehr detailreiche Wahrnehmung
  • Sehr vielschichtige Gedankengänge
  • Hoher Gerechtigkeitssinn
  • Gewissenhaftigkeit / Perfektionismus
  • Starke Schmerzempfindung
  • Stärkere Reaktion auf Medikamente
  • Langeweile bei Unterforderung
  • Nicht alle Sinneswahrnehmungen / Empfindungen müssen stark ausgeprägt sein.

Die ersten Studien wurden durch Ivan Pavlov (1849 – 1936) durchgeführt. Dies waren Studien zu transmarginaler Hemmung. In moderneren Forschungen haben Elaine Aron und Bianca Avedon (2014) im funktionellen MRT (Magnetresonanztomographie) Unterschiede in der Reizverarbeitung in Gehirnen von normalsensiblen und hochsensiblen Menschen festgestellt (in gefühlsverarbeitenden Arealen wie Amygdala und Inselrinde).

2017 hat u.a. X. Wu (University of Texas) eine hohe Vererbbarkeit durch Zwillingsstudien nachgewiesen. In einer weiteren Studie aus 2017 von Elham Assary et al wurde deutlich, dass Hochsensibilität zu 47% vererbt und zu 53% erworben wird (Stichwort: Epigenetik). Neben genetischer Disposition zeigen aktuelle Studien weitere mögliche Ursachen: Auslösung durch hormonelle Umbrüche, Stress, Zusammenhang mit anderen Autoimmunerkrankungen, Schock, Trauma, Östrogendominanz & niedriges Progesteron etc..

Lange wurde angenommen, dass etwa 15 bis 20% der Bevölkerung hochsensibel sind. Neuere Zahlen zeigen, dass der Anteil bei 31% liegt. Hochsensibilität kommt in allen Kulturen vor, zu gleichen Teilen bei Männern und Frauen, es gibt introvertierte wie auch extrovertierte Hochsensible.

Hochsensible Menschen haben typischerweise ein besonders reiches und vielschichtiges Innenleben, hohe Ansprüche sowie ein tiefes Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Harmonie. Ihre feinen Antennen für die Stimmungen anderer Menschen, machen sie oft zu besonders achtsamen Mitmenschen. Die Schattenseiten: Sie laufen Gefahr, häufig überfordert und von subtilen Eindrücken überlastet zu werden sowie sich selbst und den Mitmenschen den Alltag kompliziert zu gestalten.

Körperliche Beschwerden von Hochsensiblen können sein:

  • Allergien
  • Augenschmerzen
  • Reizdarm, Reizmagen
  • Kopfschmerzen, Migräne
  • Gelenk-/ Muskelschmerzen
  • Nieren- und Blasenbeschwerden
  • Konzentrationsschwierigkeiten / Denkblockaden
  • Schlaflosigkeit
  • Burn-out

Allfällige seelische Beschwerden sind:

  • Ängste / Nervosität
  • Grübeln
  • Scham
  • Demütigung / Kränkung
  • Einsamkeit
  • Wut / (Auto-)Aggression
  • Schuldgefühle
  • Selbstzweifel / mangelnder Selbstwert

Brigitte Küster, psychologische Beraterin und Gründerin des Instituts für Hochsensibilität in der Schweiz, geht sogar soweit und sagt „Manche Depressionserkrankungen sind möglicherweise auf eine hochsensible Wahrnehmungsfähigkeit zurückzuführen“.

Abgrenzung zu ADHS

Betroffene bekommen offenbar infolge ihrer Überreizung gelegentlich die Diagnose ADHS. Hochsensible Personen würden jedoch häufiger als Menschen mit ADHS von einer reizarmen Umgebung profitieren. Im Vergleich zu Personen mit ADHS leiden sie dann weniger unter Konzentrationsschwierigkeiten oder Aufmerksamkeitsdefiziten.

Alltagsleben und Gesellschaft

Hochsensible Menschen messen oft von anderen als unwichtig Angesehenem eine Bedeutung bei. Der Hang zur Detailverliebtheit sowie die Wertschätzung sozialer Kommunikation erfordern Zeit, Sorgfalt und eine ruhige Atmosphäre, die nicht immer gegeben ist. Deshalb sehen sich Hochsensible mit Appellen konfrontiert, sich an die Gegebenheiten anzupassen (z.B. „Stell dich nicht so an!“).

Die Welt braucht Menschen mit feiner Wahrnehmung. Manche von ihnen fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut oder tun sich schwer damit, einen Platz in der Welt zu finden. Andere hingegen freuen sich, so feinfühlig zu sein und finden, dass ihnen das in vielen Bereichen hilft und Freude bereitet.

Der Beitrag der Hochsensiblen ist wertvoll und wichtig. Hochsensible sind tendenziell integrativ, kreativ und innovativ, sind überdurchschnittlich an ethischen Fragen interessiert und sind wertvolle Mitglieder in Teams.

Glauben Sie hochsensibel zu sein? Hier finden Sie Links zu Tests, die Sie anonym machen können und gleich eine Auswertung dazu erhalten:

Test von zartbesaitet
Test von Hochsensible.eu

Verhaltenstipps

Brigitte Küster rät den Betroffenen: „Wichtig ist es, die Ansprüche von aussen ab­zulegen, mehr auf die Intuition zu horchen, den eigenen Rhythmus kennenzulernen, ihn zu akzeptieren und schliesslich das Leben danach aus­zurichten. Wenn die Betroffenen ihren stimmigen Rhythmus leben können, dann sind sie sehr belastbar und können viel leisten“.

In der nachfolgenden Auflistung finden Sie einige Möglichkeiten mit Ihrer Hochsensibilität umzugehen:

  • Sinne schützen:; vor Lärm, Gerüchen, visueller Reizüberflutung, Materialien
  • Regelmässige Pausen: Kurz- und Langfristig
  • Adäquates Zeitmanagement
  • Ordnung im Innen & Aussen
  • Informationen über Hochsensibilität sammeln
  • Rückzugsorte einrichten: Am Arbeitsplatz & Zuhause
  • Schutztechniken: Grenzen setzen, Nein sagen lernen, sich Zeit nehmen um in Ruhe Entscheidungen zu treffen.
  • Entspannungstechniken lernen & regelmässig anwenden (siehe auch Ratgeber, Bücher & Apps oder Übungen)
  • Unterstützung suchen: Psychotherapie, Selbsthilfegruppe, Foren, komplementärtherapeutische Therapien etc.

Informationen sammeln – Buchempfehlungen

  • zart besaitet – Selbstverständnis, Selbstachtung und Selbsthilfe für hochsensible Menschen, Georg Parlow,
    ISBN: 978-3-9501765-8-2
  • Hochsensibel: Leichter durch den Alltag ohne Reizüberflutung, Suzann Kirschner-Brouns und Cordula Roemer,
    ISBN: 978-3833853166
  • Mein hochsensibles Kind: Leichter durch den Alltag mit Naturheilkunde, Suzann Kirschner-Brouns,
    ISBN: 978-3833861970
  • MIDLIFE-CARE Wie wir die Lebensmitte meistern und die Kraft unserer Hormone nutzen, Suzann Kirschner-Brouns und Susanne Esche-Belke, ISBN: 978-3-431-07000-2 (ab 1.2.2020 erhältlich)
  • Hochsensible in der Partnerschaft, Brigitte Schorr (heute Brigitte Küster), ISBN: 978-3-7751-5572-4

Weitere Informationen finden Sie auch unter nachstehenden Homepages:

https://www.zartbesaitet.net/
http://www.ifhs.ch/home.htm
https://www.hochsensibilitaet.ch/

Unterstützung

Die App body2brain gibt Ihnen Ideen wie Sie zur inneren Ruhe kommen und die richtigen Impulse im Alltag setzen. Hier finden Sie die App für Android, und hier für iOS.

Neben einer allfällig medizinischen Abklärung und / oder einer psychologischen Begleitung, können hochsensible Personen von diversen komplementärtherapeutischen resp. alternativmedizinischen Methoden profitieren, wie z.B. Phytotherapie, Bachblüten, Homöopathie, ätherische Öle und Akupressur etc. Die Craniosacral Therapie kann unterstützend wirken, denn diese wirkt ausgleichend auf das Nervensystem. Es kann zu einer tiefen Entspannung, mehr Gelassenheit, innerer Ausgeglichenheit und tieferem Schlaf führen. Auch die Konzentrationsfähigkeit wird verbessert, der Moskeltonus herabgesetzt und das Immunsystem gestärkt. Körper, Geist & Seele werden unterstützt zu Regeneration und Zentriertheit. Die Körpereigenwahrnehmung und Ihre Ressourcen werden erforscht und gestärkt, was die Resilienz erhöhen kann.

Persönliches

Im Alter von 28 Jahren vermutete ich zum ersten Mal, dass ich hochsensibel bin. Als ich das erste Buch mit dieser Thematik las (zart besaitet von Georg Parlow), fühlte ich mich auf einmal verstanden, nicht mehr so allein und hatte ein *AHA*-Erlebnis nach dem anderen. Der Weg zur Selbsterkenntnis und Wertschätzung war ein langer und dauert teilweise noch an. Neben einigen Herausforderungen schätze ich inzwischen einige meiner Wesenszüge sehr.

Wenn Sie einen Termin für eine Craniosacral Therapie abmachen oder mehr über das Thema Hochsensibilität erfahren möchten, kontaktieren Sie mich.

* Quellen: Bücher von Georg Parlow, Wikipedia, Vortrag zu Hochsensibilität, Eigenerfahrung